Tödliches Mörderspiel

Leseprobe

Ein Raunen ging durch die Reihen der Gäste, als Simone den Salon betrat. Ihre Hände waren rot und wund, das Haar völlig zerwühlt, das Kleid voller Schnee, der langsam schmolz und auf den Boden tropfte.
Simone wandte sich an ihren Angestellten und flüsterte ihm zu. „Ist hier alles in Ordnung?“
„Ja. Aber das war mehr als eine Minute.“ Er wollte sich abwenden und wieder in die Küche gehen, doch Simone hielt ihn zurück. „Ich brauche noch eine Minute.“
„Keine Chance.“ Der Koch wandte sich ab.
„Ich muss nur kurz an meinen Computer und etwas ins Tal melden.“
Doch der Küchenchef schüttelte den Kopf. „Nein.“
Simone wollte gerade noch etwas sagen, doch in diesem Moment ging der Strom aus. Alles war dunkel. Das Feuer des Kamins stellte die einzige Lichtquelle im Raum dar, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen.
Die Gäste stießen entzückte Schreie aus.
Simone versuchte, die Nerven zu behalten. „Liebe Gäste, wir werden Ihnen Kerzen aus der Küche holen. Auf dem Kaminsims finden Sie ebenfalls ein paar Kerzen. Wenn Sie bitte so freundlich wären, diese anzuzünden.“
Ein paar der Gäste gingen auf den Kamin zu, Simone konnte ihre Bewegungen hören, das Rascheln der Kleider. Dann verdeckten ein paar Körper das Licht des Feuers.
„Herr Kuhnke, holen Sie die Kerzen aus der Küche?“
„Ja“, antwortete er knapp. Der Koch ging aus dem Raum, während Simone sich vorsichtig zum Kamin tastete. Die erste Kerze brannte schon. Sie kümmerte sich um die verbliebenen Kerzen auf dem Sims, die nun auch eine nach der anderen angezündet wurde. Schließlich knarrte die Tür, und Herr Kuhnke kam mit weiteren Kerzen zurück. Der Salon wurde immer heller, und nur wenige Augenblicke später herrschte wieder ein angenehmes Licht im Raum.
Plötzlich ertönte ein Schrei. Er kam von Cleopatra Schäfer. „Oh Gott“, fügte sie hinzu.
„Oh nein“, ein gemeinsamer Aufschrei entrang sich den Gästen, und Simone drehte sich erstaunt zu ihnen um. Und da sah sie ihn. Auf dem Boden neben dem Flügel lag ein lebloser Körper. Simone ging darauf zu und wurde blass. Es war Fritz Wupke.
„Ist er tot?“, stieß Cleopatra aus.
Simone tastete nach dem Puls, doch sie spürte kein Klopfen unter ihren Fingern. „Ja.“ Sie begann wieder zu zittern.
„Super.“ Cleopatra strahlte über das ganze Gesicht.
„Was?“ Simone war fassungslos.
„Das ist eine super Überraschung, Frau Neumayer. Das ist ein tolles Spiel.“
Das Model Andrea kam sofort zu ihnen gelaufen. „Ich hab doch gesagt, der Fritz Wupke gehört dazu. Als er sich angeblich verfahren hatte, wusste ich es sofort.“ Der Stolz über ihre detektivische Spürnase ließ ihre Augen leuchten.
„Woran ist er denn gestorben?“ Cleopatra ließ sich den Fall nicht aus der Hand nehmen. Sie untersuchte die Leiche ganz genau, bis sie eine Stichwunde fand. Genau im Herzen. „Stichwunde im oberen, linken Quadranten. Er muss sofort tot gewesen sein.“
Simone musste sich setzen. Sie sah, wie das Blut aus dem Mann auf den Boden tropfte und den Teppich tränkte. Das war echtes Blut. Das war eine echte Leiche. Genau wie Lucie draußen in der Schlucht. In dieser Gruppe befand sich ein Killer, und er war hier im Raum. Er war mitten unter ihnen.
Simone ließ ihren Blick von einem zum anderen schweifen. Sie sah die Begeisterung der Gäste über die gelungene Überraschung, die Bewunderung für die naturgetreue Darstellung einer Leiche und den Spaß am Lösen des Rätsels. Aber keiner von ihnen sah wie ein Mörder aus.
Was sollte sie jetzt tun? Wenn sie den Gästen sagte, dass die Leiche echt war, würde hier eine Panik ausbrechen. Jeder würde jeden verdächtigen, und der Mörder könnte das ausnutzen und entkommen. Aber wenn sie es ihnen nicht sagte, waren sie alle in Gefahr, denn wer konnte schon sagen, ob das die letzte Leiche sein würde? Simone musste unbedingt die Polizei holen, es gab keine andere Möglichkeit. Aber sogar das war leichter gesagt als getan. Denn das Telefon funktionierte nicht, der Computer war ohne Strom nutzlos, und Handys hatten hier auf dem Berg sowieso keinen Empfang. Sie musste die Ursache des Stromausfalls finden und sie beseitigen, damit sie an den Computer kam. Wenn das nicht klappte, könnte sie versuchen, mit dem Schneemobil ins Tal oder zur Bergstation oben am Lift zu fahren, wo sie Funk besaßen.
Plötzlich jubelte Frau Winter. „Ich habe etwas gefunden! Ein Rätsel!“
Unter dem Körper der Leiche befand sich ein neues Kreuzworträtsel.

Waagerecht
1. Deutscher Autorennfahrer
2. Desinfizierende und heilende Paste
3. Mädchen in Uniform bei Festumzügen
4. Gerät für die Weltraumforschung
5. Fragewort

Senkrecht
1. Schlechtes Elternteil
2. Frühjahrsblüher
3. Wochentag
4. Staat der USA
5. Typ der Vogelfedern

„Es ist dieses Mal viel länger und komplizierter!“
„Klasse!“
„Ich habe eine Idee. Wollen wir ihn nicht den Kreuzworträtselmörder nennen?“ Frau Winter lächelte glücklich in die Runde.
Die Anwesenden nickten, bevor sie sich wieder der Lösung des Rätsels widmeten.
Das war Simones Chance.