Die Judenbuche

26.95

Friedrich Mergel hat von Beginn an ein schweres Leben. Sein alkoholabhängiger Vater schläft betrunken im Wald ein und erfriert, als sein Sohn gerade neun Jahre alt ist. Erst als ihn sein Onkel Simon adoptiert, erreicht Friedrich einen gewissen Status. Zudem macht er Bekanntschaft mit Simons Kuhhirte Johannes Niemand, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Die im Dorf geschehenen Holzdiebstähle durch die sogenannten Blaukittel nehmen in der nächsten Zeit gravierend zu. Der Förster Brandis wird bei dem Versuch, die Diebe zu überführen, erschlagen, woran sich Friedrich mitschuldig fühlt, da er den Förster wissentlich in die Richtung der Blaukittel schickte, als dieser ihn nach dem Weg fragte. Einige Jahre später stellt der Jude Aaron Friedrich vor dem gesamten Dorf bloß und wird kurz darauf tot aufgefunden. Friedrich flieht mit Johannes und kehrt erst Jahrzehnte später – sich als Johannes ausgebend – ins Dorf zurück. Er wird später tot in der Buche gefunden, in der Judenbuche, in die damals nach Aarons Tod eingeritzt wurde: „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast“. Anhand einer Narbe kann man letztendlich den bisher für Johannes gehaltenen Toten als Friedrich Mergel identifzieren.


Autor: Annette von Droste-Hülshoff
Illustration:
ca. 212 Seiten
SKU: die-judenbuche
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(Kursiv:wird durch Ihre Angaben ersetzt)

Schauplatz

Das westfälische Dorf B.

Epoche

18. Jahrhundert

Abriss

Die bekannte Novelle Droste-Hülshoffs, basierend auf einer wahren Begebenheit.
(Kursiv:wird durch Ihre Angaben ersetzt)

Leseprobe

Er war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von ihrem jüngeren Bruder erhielt, der in Brede wohnte und seit der törichten Heirat seiner Schwester ihre Schwelle nicht betreten hatte. Simon Semmler war ein kleiner, unruhiger, magerer Mann mit vor dem Kopf liegenden Fischaugen und überhaupt einem Gesicht wie ein Hecht, ein unheimlicher Geselle, bei dem dicktuende Verschlossenheit oft mit ebenso gesuchter Treuherzigkeit wechselte, der gern einen aufgeklärten Kopf vorgestellt hätte und statt dessen für einen fatalen, Händel suchenden Kerl galt, dem jeder um so lieber aus dem Wege ging, je mehr er in das Alter trat, wo ohnehin beschränkte Menschen leicht an Ansprüchen gewinnen, was sie an Brauchbarkeit verlieren. Dennoch freute sich die arme Margreth, die sonst keinen der Ihrigen mehr am Leben hatte.
„Simon, bist du da?“, sagte sie und zitterte, daß sie sich am Stuhle halten mußte. „Willst du sehen, wie es mir geht und meinem schmutzigen Jungen?“– Simon betrachtete sie ernst und reichte ihr die Hand: „Du bist alt geworden, Margreth!“ – Margreth seufzte: „Es ist mir derweil oft bitterlich gegangen mit allerlei Schicksalen.“ – „Ja, Mädchen, zu spät gefreit hat immer gereut! Jetzt bist du alt, und das Kind ist klein. Jedes Ding hat seine Zeit. Aber wenn ein altes Haus brennt, dann hilft kein Löschen.“ – Über Margreths vergrämtes Gesicht flog eine Flamme, so rot wie Blut.
„Aber ich höre, dein Junge ist schlau und gewichst“, fuhr Simon fort. – „Ei nun, so ziemlich, und dabei fromm.“ – „Hum, 's hat mal einer eine Kuh gestohlen, der hieß auch Fromm. Aber er ist still und nachdenklich, nicht wahr? Er läuft nicht mit den anderen Buben?“ – „Er ist ein eigenes Kind“, sagte Margreth wie für sich, „es ist nicht gut.“ – Simon lachte hell auf: „Dein Junge ist scheu, weil ihn die anderen ein paarmal gut durchgedroschen haben. Das wird ihnen der Bursche schon wieder bezahlen. Hülsmeyer war neulich bei mir, der sagte: ‚Es ist ein Junge wie 'n Reh.’“
Welcher Mutter geht das Herz nicht auf, wenn sie ihr Kind loben hört? Der armen Margreth ward selten so wohl, jedermann nannte ihren Jungen tückisch und verschlossen. Die Tränen traten ihr in die Augen. „Ja, gottlob, er hat gerade Glieder.“ – „Wie sieht er aus?“, fuhr Simon fort. – „Er hat viel von dir, Simon, viel.“
Simon lachte: „Ei, das muß ein rarer Kerl sein, ich werde alle Tage schöner. An der Schule soll er sich wohl nicht verbrennen. Du läßt ihn die Kühe hüten? Ebenso gut. Es ist doch nicht halb wahr, was der Magister sagt. Aber wo hütet er? Im Telgengrund? Im Roderholze? Im Teutoburger Wald? Auch des Nachts und früh?“ – „Die ganzen Nächte durch; aber wie meinst du das?“
Simon schien dies zu überhören; er reckte den Hals zur Türe hinaus: „Ei, da kommt der Gesell! Vaterssohn! Er schlenkert gerade so mit den Armen wie dein seliger Mann. Und schau mal an! Wahrhaftig, der Junge hat meine blonden Haare!“
In der Mutter Züge kam ein heimliches, stolzes Lächeln; ihres Friedrichs blonde Locken und Simons rötliche Bürsten! Ohne zu antworten, brach sie einen Zweig von der nächsten Hecke und ging ihrem Sohne entgegen, scheinbar, eine träge Kuh anzutreiben, im Grunde aber, ihm einige rasche, halbdrohende Worte zuzuraunen; denn sie kannte seine störrische Natur, und Simons Weise war ihr heute einschüchternder vorgekommen als je. Doch ging alles über Erwarten gut; Friedrich zeigte sich weder verstockt noch frech, vielmehr etwas blöde und sehr bemüht, dem Ohm zu gefallen. So kam es denn dahin, daß nach einer halbstündigen Unterredung Simon eine Art Adoption des Knaben in Vorschlag brachte, vermöge deren er denselben zwar nicht gänzlich seiner Mutter entziehen, aber doch über den größten Teil seiner Zeit verfügen wollte, wofür ihm dann am Ende des alten Junggesellen Erbe zufallen solle, das ihm freilich ohnedies nicht entgehen konnte. Margreth ließ sich geduldig auseinandersetzen, wie groß der Vorteil, wie gering die Entbehrung ihrerseits bei dem Handel sei. Sie wußte am besten, was eine kränkliche Witwe an der Hülfe eines zwölfjährigen Knaben entbehrt, den sie bereits gewöhnt hat, die Stelle einer Tochter zu ersetzen. Doch sie schwieg und gab sich in alles. Nur bat sie den Bruder, streng, doch nicht hart gegen den Knaben zu sein.
„Er ist gut“, sagte sie, „aber ich bin eine einsame Frau; mein Kind ist nicht wie einer, über den Vaterhand regiert hat.“ Simon nickte schlau mit dem Kopf: „Laß mich nur gewähren, wir wollen uns schon vertragen, und weißt du was? Gib mir den Jungen gleich mit, ich habe zwei Säcke aus der Mühle zu holen; der kleinste ist ihm grad recht, und so lernt er mir zur Hand gehen. Komm, Fritzchen, zieh deine Holzschuh an!“ – Und bald sah Margreth den beiden nach, wie sie fortschritten, Simon voran, mit seinem Gesicht die Luft durchschneidend, während ihm die Schöße des roten Rocks wie Feuerflammen nachzogen. So hatte er ziemlich das Ansehen eines feurigen Mannes, der unter dem gestohlenen Sacke büßt; Friedrich ihm nach, fein und schlank für sein Alter, mit zarten, fast edlen Zügen und langen, blonden Locken, die besser gepflegt waren, als sein übriges Äußere erwarten ließ; übrigens zerlumpt, sonnenverbrannt und mit dem Ausdruck der Vernachlässigung und einer gewissen rohen Melancholie in den Zügen. Dennoch war eine große Familienähnlichkeit beider nicht zu verkennen, und wie Friedrich so langsam seinem Führer nachtrat, die Blicke fest auf denselben geheftet, der ihn gerade durch das Seltsame seiner Erscheinung anzog, erinnerte er unwillkürlich an jemand, der in einem Zauberspiegel das Bild seiner Zukunft mit verstörter Aufmerksamkeit betrachtet.

Annette von Droste-Hülshoff

Annette von Droste-Hülshoff wurde 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster geboren. Sie wurde von einer Reihe von Hauslehrern unterrichtet. Schon als kleines Kind sehr oft kränkelnd, begann sie bereits in jungen Jahren vor allem Gedichte zu schreiben. Ihre Familie unterstützte sie in ihrer dichterischen Tätigkeit. Droste-Hülshoff unternahm einige Reisen, auf denen sie neue Bekanntschaften knüpfte. Einer ihrer ersten Mentoren war Christoph Bernhard Schlüter. Für ihre Arbeiten inspirierten Droste-Hülshoff insbesondere die Besuche bei ihrer Schwester auf Schloß Meersburg am Bodensee, wo sie 1846 - vermutlich an einer schweren Lungenentzündung - starb. Sie gilt als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen, deren Ruhm sich vor allem auf ihre Balladen ('Der Knabe im Moor') und ihre Novelle 'Die Judenbuche' begründet.


Eine Auswahl an Werken:

  • 1838 Gedichte
  • 1842 Die Judenbuche
  • 1844 Gedichte
  • 1818–1820/1839–1840 Das geistliche Jahr
  • 1860 Letzte Gaben (Nachlass)

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