Geschichte des Fräuleins von Sternheim
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Sophie von Sternheim hat es nicht leicht: Nach dem Tod ihrer Eltern muss sie zu ihrer Tante, Gräfin Löbau, ziehen, die sie dem Fürsten als Mätresse geben will, um sich politischen Vorteil zu verschaffen. Die naive, tugendhafte Sophie ist den Intrigen und Ränkespielen am Hof hilflos ausgeliefert und wird Opfer der Willkür zweier Männer, Lord Seymour und Lord Derby, der mit ihr eine Scheinheirat eingeht. Als alles verloren scheint und sich Sophie bereits in “Madame Leidens” umbenannt hat, wendet sich das Blatt: Eine Lady holt sie auf ihr Gut in England, wo sie Lord Rich kennenlernt, der sich in sie verliebt! Doch da taucht plötzlich Lord Derby wieder auf und entführt Sophie. Gibt es noch Rettung für das tugendhafte Fräulein von Sternheim?
Autor: Sophie von La Roche
Illustration:
ca. 312 Seiten
Leseprobe
„Liebste Sophie, du bist eines der reizendsten Mädchen; aber der alte Pfarrer hat dir eine Menge pedantische Ideen gegeben, die mich plagen. Laß dich ein wenig davon zurückbringen.“„Ich bin überzeugt, meine Frau Tante, daß das Hofleben für meinen Charakter nicht taugt; mein Geschmack, meine Neigungen gehen in allem davon ab; und ich bekenne Ihnen, gnädige Tante, daß ich froher abreisen werde, als ich hergekommen bin.“
„Du kennest ja den Hof noch nicht; wenn der Fürst kommt, dann lebt alles auf. Dann will ich dein Urteil hören! Und mache dich nur gefaßt; du kommst vor künftigem Frühjahr nicht aufs Land.“
„O ja, meine gnädige Tante, auf den Herbst geh ich zur Gräfin R., sobald sie zurückgekommen sein wird.“
„Und mein Wochenbett soll ich allein ohne dich halten müssen?“
Sie sah mich zärtlich an, indem sie dies sagte, und reichte mir die Hand. Ich küßte ihre Hand, versicherte sie, bei ihr zu bleiben, wenn diese Zeit käme.
Vor der Tafel ging ich in mein Zimmer. Da fand ich meine Büchergestelle leer: „Was ist dies, Rosine?“ Der Graf, sagte sie, wäre gekommen, und hätte alles wegnehmen lassen. Es wäre ein Spaß von der Gräfin, hätte er gesagt.
Ein unartiger Spaß, der sie nichts nützen wird; denn ich will desto mehr schreiben; neue Bücher will ich nicht kaufen, um sie nicht über meinen Eigensinn böse zu machen. O wenn nur meine Tante R. bald käme! Zu dieser, Emilia, zu dieser geh ich mit Vergnügen. Sie ist zärtlich, ruhig, sucht und findet in den Schönheiten der Natur, in den Wissenschaften und in guten Handlungen das Maß von Zufriedenheit, das man hier sucht, wo man es nicht findet, und darüber das Leben vertändelt.
Mein Fräulein C. hat Lektion im Englischen angenommen; ich denke, sie wird bald lernen. Sie weiß schon viele, lauter zärtliche Redensarten, an denen ich den Lehrmeister erkenne. Sie hat mit uns gespeist. Ich klagte meine Tante, über ihren Bücherraub, im Scherz an. Das Fräulein stand ihr bei: „Das ist gut ausgedacht“, sagte sie, „Wir wollen sehen, was der Geist unsrer Sternheim macht, wenn sie ohne Führer, ohne Ausleger mit uns lebt.“
Ich lachte mit, und sagte: „Ich verlasse mich auf den rechtschaffenen Gelehrten, der einmal sagte: die Empfindungen der Frauenzimmer wären oft richtiger als die Gedanken der Männer.“ (*Eine Bemerkung, welche der Herausgeber aus vieler Erfahrung an sich und andern von Herzen unterschreibt. A. d. H.) Darauf erhielt ich die Erlaubnis zu arbeiten. Ich sagte, es wäre mir unmöglich am Putztisch immer zuzusehen, nachmittags allezeit zu spielen, oder müßig zu sein; und es wurde eine schöne Tapetenarbeit angefangen, woran ich sehr fleißig zu sein gedenke.
Morgen kommt der Fürst und der ganze Hof mit ihm: Diesen Abend sind die fremden Ministers angekommen. Mylord G. besuchte uns noch spät, und brachte Mylord Seymour nebst einem andern Engländer, Lord Derby genannt, mit, den er als einen Vetter vorstellte, der durch ihn und Lord Seymour ein großes Verlangen bekommen, mich zu sehen, besonders weil ich eine halbe Landsmännin von ihm wäre. Lord Derby redete mich sogleich auf englisch an. Er ist ein feiner Mann von ungemein vielem Geist und angenehmen Wesen. Man bat diese Herren zum Abendessen; es wurde freudig angenommen, und meine Tante schlug vor, im Garten zu speisen, weil Mondschein sein würde, und der Abend schön sei.
Gleich war der kleine Saal erleuchtet, und meine Tante fing bei der Türe, da sie mit Mylord G. hinausging, ganz zärtlich an: „Sophie, meine Liebe, deine Laute bei Mondschein wäre recht vielen Dank wert.“
Ich befahl, sie zu holen; Lord Derby gab mir die Hand, Seymour war schon mit dem Fräulein C. voraus. Der kleine Saal war am Ende des Gartens, unmittelbar am Flusse, so, daß man lange zu gehen hatte. Lord Derby unterhielt mich mit einem ehrerbietigen Ton von lauter schmeichelhaften Sachen, die er von mir gehört hätte. Mein Onkel kam zu uns, und wie wir kaum etliche Schritte über den halben Weg waren, stieß er mich mit dem Arme, und sagte: „Seht, seht, wie der trockne Seymour bei Mondschein so zärtlich die Hände küssen kann!“ Ich sah auf; und, liebe Emilia, es dünkte mich, ich fühlte einen Schauer. Es mag von der kühlen Abendluft gekommen sein; weil wir dem Wasser ganz nahe waren. Aber da mich ein Zweifel darüber ankam, als ob dieser Schauer zweideutig wäre, weil ich ihn nur in diesem Augenblick empfand, so mußten Sie es wissen.
Der junge Graf F., Neveu des Ministers, kam auch noch, und da er den Bedienten, der die Laute trug, angetroffen, und gefragt hatte: „Für wen?“, nahm er sie, und klimperte vor dem Saal, bis mein Onkel hinaussah und ihn einführte. Ich mußte gleich noch vor dem Essen spielen und singen. Ich war nicht munter, und sang mehr aus Instinkt als Wahl ein Lied, in welchem Sehnsucht nach ländlicher Freiheit und Ruhe ausgedrückt war. Ich empfand selbst, daß mein Ton zu gerührt war; meine Tante rief auch: „Kind, du machst uns alle traurig; warum willst du uns zeigen, daß du uns so gerne verlassen möchtest? Singe was anders.“ Ich gehorchte still, und nahm eine Gärtnerarie aus einer Opera, welche mit vielem Beifall aufgenommen wurde. Mylord G. fragte, ob ich nicht englisch singen könnte? Ich sagte, nein; aber wenn ich was hörte, so fiele mir's nicht schwer. Derby sang gleich, seine Stimme ist schön, aber zu rasch. Ich akkompagnierte ihn, sang auch mit. Daraus machte man viel Lobens von meinem musikalischen Ohr.
Die Gräfin F. sagte mir Zärtlichkeiten; Lord Seymour nichts; er ging oft in den Garten allein, und kam mit Zügen einer gewaltsamen Bewegung in der Seele zurück, redete aber nur mit Fräulein C., die auch gedankenvoll aussah. G. sah mich bedeutend an, doch war Vergnügen in seinem Gesichte; Lord Derby hatte ein feuriges Falkenauge, in welchem Unruhe war, auf mich gerichtet. Mein Onkel und meine Tante liebkosten mir. Um elf Uhr gingen wir schlafen, und ich schrieb noch diesen Brief. Gute Nacht, teure Emilia! Bitten Sie unsern ehrwürdigen Vater, daß er für mich bete! Ich finde Trost und Freude in diesem Gedanken.
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