Nachtstücke

26.95

Acht Erzählungen E.T.A. Hoffmanns in einem Band, die seine Vorliebe für das Obskure und Unheimliche vortrefflich widerspiegeln und in bester hoffmannscher Manier „das Wunderliche mit dem Wunderbaren auf seltsame, greuliche Weise“ mischen: Der Sandmann – Paradebeispiel der Schwarzen Romantik; Ignaz Denner – eine Räubergeschichte über Anstand und Versuchung; Die Jesuiterkirche in G. – die Geschichte eines verzweifelten Künstlers; Das Sanctus – ein Stück über wahren Gottglaube; Das öde Haus – eine Novelle, in der sich Realität und Phantasie auf verwirrendste Art und Weise vermischen; Das Majorat – eine Erzählung, in der Habgier und Hass eine ganze Familie zerstören; Das Gelübde – die Geschichte einer bis in den Wahnsinn führenden Liebe – und als versöhnlicher Schluss: Das steinerne Herze – eine Erzählung von einem verbitterten Hofrat, der im Alter eine zweite Chance erhält.


Autor: E.T.A. Hoffmann
Illustration:
ca. 320 Seiten
SKU: nachtstucke Category:
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(Kursiv:wird durch Ihre Angaben ersetzt)

Schauplatz

Verschiedene Orte in Deutschland, Italien und Polen

Epoche

Zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts

Abriss

Den ursprünglich aus der Malerei stammenden Begriff ‚Nachtstücke’, Darstellungen dunkler, schlecht beleuchteter Szenerien beschreibend, wählte Hoffmann bewusst: Auch seine Erzählungen bleiben stets im Düsteren, im Unerklärlichen und lassen die Frage, was Wirklichkeit, was Wahnvorstellung ist, unbeantwortet
(Kursiv:wird durch Ihre Angaben ersetzt)

Leseprobe

Außer dem Mittagsessen sahen wir, ich und mein Geschwister, tagsüber den Vater wenig. Er mochte mit seinem Dienst viel beschäftigt sein. Nach dem Abendessen, das alter Sitte gemäß schon um sieben Uhr aufgetragen wurde, gingen wir alle, die Mutter mit uns, in des Vaters Arbeitszimmer und setzten uns um einen runden Tisch. Der Vater rauchte Tabak und trank ein großes Glas Bier dazu. Oft erzählte er uns viele wunderbare Geschichten und geriet darüber so in Eifer, daß ihm die Pfeife immer ausging, die ich, ihm brennend Papier hinhaltend, wieder anzünden mußte, welches mir denn ein Hauptspaß war. Oft gab er uns aber Bilderbücher in die Hände, saß stumm und starr in seinem Lehnstuhl und blies starke Dampfwolken von sich, daß wir alle wie im Nebel schwammen. An solchen Abenden war die Mutter sehr traurig und kaum schlug die Uhr neun, so sprach sie: „Nun Kinder! – Zu Bette! Zu Bette! Der Sandmann kommt, ich merk es schon.“ Wirklich hörte ich dann jedesmal etwas schweren langsamen Tritts die Treppe heraufpoltern; das mußte der Sandmann sein. Einmal war mir jenes dumpfe Treten und Poltern besonders graulich; ich frug die Mutter, indem sie uns fortführte: „Ei Mama! Wer ist denn der böse Sandmann, der uns immer von Papa forttreibt? – Wie sieht er denn aus?“ – „Es gibt keinen Sandmann, mein liebes Kind“, erwiderte die Mutter: „Wenn ich sage, der Sandmann kommt, so will das nur heißen, ihr seid schläfrig und könnt die Augen nicht offen behalten, als hätte man euch Sand hineingestreut.“ – Der Mutter Antwort befriedigte mich nicht, ja in meinem kindischen Gemüt entfaltete sich deutlich der Gedanke, daß die Mutter den Sandmann nur verleugne, damit wir uns vor ihm nicht fürchten sollten, ich hörte ihn ja immer die Treppe heraufkommen. Voll Neugierde, Näheres von diesem Sandmann und seiner Beziehung auf uns Kinder zu erfahren, frug ich endlich die alte Frau, die meine jüngste Schwester wartete: Was denn das für ein Mann sei, der Sandmann? „Ei Thanelchen“, erwiderte diese, „weißt du das noch nicht? Das ist ein böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie blutig zum Kopf herausspringen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen; die sitzen dort im Nest und haben krumme Schnäbel, wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschenkindlein Augen auf.“ – Gräßlich malte sich nun im Innern mir das Bild des grausamen Sandmanns aus; sowie es abends die Treppe heraufpolterte, zitterte ich vor Angst und Entsetzen. Nichts als den unter Tränen hergestotterten Ruf „Der Sandmann! Der Sandmann!“ konnte die Mutter aus mir herausbringen. Ich lief darauf in das Schlafzimmer, und wohl die ganze Nacht über quälte mich die fürchterliche Erscheinung des Sandmanns. – Schon alt genug war ich geworden, um einzusehen, daß das mit dem Sandmann und seinem Kindernest im Halbmonde, so wie es mir die Wartefrau erzählt hatte, wohl nicht ganz seine Richtigkeit haben könne; indessen blieb mir der Sandmann ein fürchterliches Gespenst und Grauen – Entsetzen ergriff mich, wenn ich ihn nicht allein die Treppe heraufkommen, sondern auch meines Vaters Stubentür heftig aufreißen und hineintreten hörte. Manchmal blieb er lange weg, dann kam er öfter hintereinander. Jahrelang dauerte das, und nicht gewöhnen konnte ich mich an den unheimlichen Spuk, nicht bleicher wurde in mir das Bild des grausigen Sandmanns. Sein Umgang mit dem Vater fing an, meine Phantasie immer mehr und mehr zu beschäftigen: Den Vater darum zu befragen hielt mich eine unüberwindliche Scheu zurück, aber selbst – selbst das Geheimnis zu erforschen, den fabelhaften Sandmann zu sehen, dazu keimte mit den Jahren immer mehr die Lust in mir empor. Der Sandmann hatte mich auf die Bahn des Wunderbaren, Abenteuerlichen gebracht, das so schon leicht im kindlichen Gemüt sich einnistet. Nichts war mir lieber, als schauerliche Geschichten von Kobolden, Hexen, Däumlingen usw. zu hören oder zu lesen; aber obenan stand immer der Sandmann, den ich in den seltsamsten, abscheulichsten Gestalten überall auf Tische, Schränke und Wände mit Kreide, Kohle, hinzeichnete. Als ich zehn Jahre alt geworden, wies mich die Mutter aus der Kinderstube in ein Kämmerchen, das auf dem Korridor unfern von meines Vaters Zimmer lag. Noch immer mußten wir uns, wenn auf den Schlag neun Uhr sich jener Unbekannte im Hause hören ließ, schnell entfernen. In meinem Kämmerchen vernahm ich, wie er bei dem Vater hineintrat und bald darauf war es mir dann, als verbreite sich im Hause ein feiner seltsam riechender Dampf. Immer höher mit der Neugierde wuchs der Mut, auf irgendeine Weise des Sandmanns Bekanntschaft zu machen. Oft schlich ich schnell aus dem Kämmerchen auf den Korridor, wenn die Mutter vorübergegangen, aber nichts konnte ich erlauschen, denn immer war der Sandmann schon zur Türe hinein, wenn ich den Platz erreicht hatte, wo er mir sichtbar werden mußte. Endlich von unwiderstehlichem Drange getrieben, beschloß ich, im Zimmer des Vaters selbst mich zu verbergen und den Sandmann zu erwarten.

E. T. A. Hoffmann

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wurde am 24. Januar 1776 in Königsberg geboren. Sein Vater war Advokat. Nach dem Gymnasium in Königsberg studierte er von 1792-1795 Jura. Als Referendar arbeitete er 1796 in Glogau und 1798 in Berlin. Ab 1800 arbeitete er als Assessor in Posen, wurde aber 1802 nach Plock in Polen strafversetzt. Etwa 1805 zog er nach Berlin, wo sich seine Begabung als Musiker, Zeichner und Schriftsteller vollends entwickeln konnte. Ab 1814 war er wieder am Kammergericht in Berlin angestellt. Hoffmann starb am 25. Juni 1822 in Berlin.


Eine Auswahl an Werken:

1815 Die Elixiere des Teufels 1817 Nachtstücke 1818 Seltsame Leiden eines Theater-Direktors 1819 Klein Zaches genannt Zinnober 1819/21 Die Serapionsbrüder 1820 Prinzessin Brambilla 1820 Die Irrungen 1821 Die Geheimnisse 1821 Lebensansichten des Katers Murr

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